PROJEKTREPORTAGE

De Sculpturen, Breda (NL)

Bedaux de Brouwer Architecten,
Goirle (NL)

Die insgesamt 240 Wohnungen sind verteilt auf drei Türme, jeder hat jeweils 18 Geschosse, und einen eigenen Namen: Constant, Appel und Corneille.

Constant, Appel und Corneille

  • Autorin: Christina Gräwe
  • Fotos: Maarten Kools, Michel Kievits

Die drei Türme verblüffen zunächst: Warum stehen sie ausgerechnet hier in einer ansonsten flach bebauten Gegend mit kleinteiligen Einfamilienreihenhäuschen aus den 50er-Jahren und drei jüngeren, U-förmigen Wohnblöcken mit ebenfalls moderater Höhe? Warum markieren sie den Übergang zwischen Stadt und Wiesen- und Waldlandschaft drei Kilometer südlich des Zentrums der niederländischen 180.000-Einwohner-Stadt Breda so überdeutlich?

Zunächst war da mit dem Wohnungsbauunternehmen Wonen-Breburg en NBU ein Bauherr, der sich Architektur mit Landmark-Charakter wünschte. Die Architekten Bedaux de Brouwer reagierten darauf gerne mit auch in Holland immer noch nicht unumstrittenen Hochhäusern, denn, erläutert Jacq. de Brouwer, so konnten sie die 240 geforderten Wohnungen kompakt unterbringen und dazwischen „das Grün in dieses Stück Stadt wandern lassen“.

Jacq. de Brouwer von Bedaux de Brouwer Architecten, Goirle (NL)

Der Maßstabssprung zur umgebenden Bebauung und auch der skulpturale Charakter des Ensembles lagen den Planern ebenso am Herzen wie die Verwendung von Backstein, dessen Qualität die Türme auch in 15 Jahren noch elegant und zeitlos erscheinen lassen wird. Jacq. de Brouwer ist überzeugt, dass das dauerhafte und hochwertige Material mithilft, das schlechte Image von Wohnhochhäusern aus den Köpfen zu vertreiben. „Wir bauen nicht gesichtslos aufeinandergestapelte Wohneinheiten, sondern geben den Gebäuden eine Gestalt.“ Jeder der Türme ist 60 Meter hoch und hat 18 Stockwerke, und jeder hat einen Namen: Constant, Appel und Corneille haben die Architekten sie getauft, inspiriert durch die Namen der Protagonisten der Künstlergruppe CoBrA (was wiederum von deren Herkunftsstädten Copenhagen, Brüssel und Amsterdam abgeleitet ist). Für die Fassaden wurde de Brouwers Lieblingsziegel, ein fast schwarzer Klinker im Waalformat (210 x 100 x 52 mm) verwendet.

„Wir bauen nicht gesichtslos aufeinandergestapelte Wohneinheiten, sondern geben den Gebäuden eine Gestalt.“

Jacq. de Brouwer, Bedaux de Brouwer Architecten, Goirle (NL)

Die insgesamt 240 Wohnungen sind verteilt auf drei Türme, jeder hat jeweils 18 Geschosse, und einen eigenen Namen: Constant, Appel und Corneille.

Er ist handwerklich sehr sorgfältig im Läuferverband mit dunklen Fugen vermauert und bestimmt ganz wesentlich den Charakter der reliefartigen Gebäudehüllen. Der Name des Ensembles lautet nicht wahllos „De Sculpturen“; tatsächlich stehen die drei Häuser in der parkähnlichen Umgebung, als habe sich ein architekturaffiner Bildhauer dort verwirklicht. Unterstrichen wird dieser Effekt durch versetzt angeordnete Vorsprünge mit Loggien; dazwischen liegen tiefere Ebenen mit schmalen Fensterfugen. Ein auffallendes Merkmal sind die verklinkerten Wandscheiben, die seitlich der doppelgeschossigen Fensterstreifen 40 Zentimeter aus der Fassade herauswachsen. Sie verbinden optisch jeweils zwei Geschosse zu einer Einheit. Die Betonung der Vertikalen hat mit durchlaufenden, farblich abgesetzten Stahlbändern und den breiten Loggien aber auch horizontale Gegenspieler. Es ist ein komplexes Fassadenbild entstanden, das den Häusern eine unverwechselbare Identität verleiht und inzwischen bei den Bewohnern mindestens für Akzeptanz gesorgt hat oder sie sogar stolz auf ihre Adresse verweisen lässt.

Lageplan des Ensembles De Sculpturen am Stadtrand von Breda (NL).

Dazu tragen sicher auch die durchdachten Grundrisse bei. Sie variieren zwischen 100 und 135 Quadratmetern und sind flexibel zu unterteilen, sodass während der Verkaufsphase je nach Bedarf in den einzelnen Stockwerken vier oder fünf Wohnungen untergebracht werden konnten. Die Wohnzimmer mit großen und zugleich geschützten Balkonen sind zur Landschaft hin ausgerichtet; auch in den unteren Stockwerken ist die Aussicht unverstellt. Die Schlaf- und Badezimmer sind introvertierter angeordnet. Und auch die Energiebilanz hatten die Architekten im Blick: Auf dem Dach sind Solarpaneele installiert, die massiven Backsteinwände bilden einen guten Wärme-Kälte-Speicher.

Die vor- und zurückspringende Fassade trägt zu dem skulpturalen Charakter des Klinkerbaus bei.

INTERVIEW

Gespräch mit Jacq. de Brouwer

Herr de Brouwer, wenn man Ihr Werk durchblättert, fällt eine klare Vorliebe für die Verwendung von Backstein auf. Ist dieses Material eine Art Markenzeichen für Bedaux de Brouwer?

Ja, wir haben eine klare Vorliebe für Backstein. Sie werden auch Naturstein und Glas bei uns finden, aber wir kommen immer wieder auf Backstein zurück. Das hat allseits bekannte und auch verstecktere Gründe. Backstein ist erschwinglich und durch seine Qualität langlebig. Außerdem hat in Holland Bauen mit dem Material eine lange Tradition, es ist quasi Teil unserer DNA – und darin liegen die subtilen Argumente: Backstein ist die Verbindung zwischen Geschichte und Gegenwart, eine Art gebaute Erinnerung daran, was zu diesem Land passt und sich am jeweiligen Ort einfügt.

Sie sind für Ihren konsequenten Einsatz von Backstein bekannt und haben die Frage häufig beantwortet. Tun Sie es doch bitte für uns noch einmal: Welche konkreten Vorteile für den Bauprozess schätzen Sie daran?

Es reichen ein paar Steine und ein Eimer Mörtel, und schon kannst du Architektur machen. Die Kleinteiligkeit und die Oberfläche bieten einen immensen Spielraum an Gestaltungsmöglichkeiten. Der simple Backstein ist preiswert; wir haben ihn früher auch gerne im Sozialwohnungsbau eingesetzt. Inzwischen können wir anspruchsvoller bauen. Wenn es gut läuft, bleibt ein Teil des Budgets, um die einzigartigen Qualitäten hervorzuholen, die zur jeweiligen Aufgabe passen: in der Wirkung seiner Masse, wie schwer der Bau also erscheint, in der Oberflächenstruktur, in den Farbschattierungen.

Das Privathaus in Steensel (NL) wurde 2006 von Bedaux de Brouwer Achitecten fertiggestellt. Die Räume sind entlang des schmalen Riegels aneinandergereiht und lassen sich vollständig zur umliegenden Landschaft öffnen.

Manche Ihrer Kollegen in Deutschland rufen seit einigen Jahren eine „Renaissance des Backsteins“ aus. Stimmen Sie dem zu?

Das ist hier etwas anders, denn in Holland war der Backstein wie gesagt schon immer da. Ich kann also nicht von einer Renaissance des Materials sprechen. Aber ich sehe durchaus eine Renaissance der Handwerkskunst und der Sorgfalt, mit dem Backstein umzugehen. Ich sehe eine Renaissance der Detailarbeit. In den letzten 10 bis 15 Jahren war das nicht mehr besonders ausgeprägt; es wurde eher nachlässig gebaut. Inzwischen nimmt das einfache, aber sorgsame Bauen wieder zu. Das kommt einer minimalistischen Architektur zugute, die wir sehr schätzen. Oder wir bauen bildhauerhaft wie bei den drei Hochhäusern „De Sculpturen“ in Breda (NL), wo die Menschen stolz sind, in einer Landmarke zu leben. Uns geht es generell in unserer Arbeit mehr um den langlebigen Charakter eines Gebäudes als um eine vielleicht flüchtige Schönheit.

Die Argumente für die Verwendung von Backstein, wie seine solide Erscheinung, die Oberflächenqualität, haptische Gründe, die Ornamentik, die dem Material nicht aufgepfropft werden muss, sondern schon darin eingeschrieben ist, gehen Hand in Hand mit dem Vorbehalt, genau deshalb in die Historisierungsfalle zu tappen. Ist Letzteres tatsächlich ein Risiko?

Nein, ich sehe es eher so wie auch in der Musik oder der Literatur: Wir sollten die Vergangenheit kennen und von ihr lernen. Damit meine ich nicht, sie zu kopieren, sondern die Möglichkeiten, die in ihr stecken, für die Zukunft weiterzuentwickeln. Das lässt sich auf das Bauen mit Backstein gut übertragen, allerdings muss die Arbeit durch die richtigen Hände geschehen.

Im Sockelbereich des 2014 fertiggestellten AVEC Bürogebäudes in Tilburg (NL) haben Bedaux de Brouwer mit schräg vermauerten schwarzen Klinkern gearbeitet – auch um das Aufbringen von Werbeplakaten oder Graffiti zu verhindern.

„Es reichen ein paar Steine und ein Eimer Mörtel, und schon kannst du Architektur
machen.“

Jacq. de Brouwer, Bedaux de Brouwer Architecten, Goirle (NL)

Ist es einfach, Bauherren davon zu überzeugen, Backstein zu verwenden? Oder anders gefragt: Werden Sie als anerkannte Backstein-Experten genau deshalb damit beauftragt?

Der Backstein ist hier allgegenwärtig, über seine Verwendung muss nicht diskutiert werden. Die Überzeugungsarbeit findet aber an anderer Stelle statt: Die Holländer sind eher sachlichbescheiden, ihnen genügt es oft, sozusagen einen Opel Kadett zu bauen. Sie davon zu überzeugen, dass es hässliche und schöne Backsteine gibt und sie in die schönen und ihre Möglichkeiten investieren sollten, diese Diskussionen bedeuten manchmal harte Arbeit. Wir haben inzwischen den Vorteil, dass unsere Auftraggeber unsere Arbeit kennen und mögen und aufgeschlossen für die Vielseitigkeit von Backstein sind. Meistens finden wir zu einem Happy End.

Stichwort Vielseitigkeit: Wie verläuft die Zusammenarbeit zwischen Architekten und Herstellern?

Es gibt bereits eine ausreichende Auswahl an Farben und Oberflächenstrukturen, wir müssen den Backstein nicht jedes Mal neu erfinden. Wir können ihn aber weiterentwickeln, etwa für einen spezielleren Farbton oder eine anders strukturierte Oberfläche. Wir pflegen langjährige, zum Teil freundschaftliche Kooperationen, wobei wir hier in Holland selten direkt mit dem Hersteller zu tun haben. Die Produzenten schützen ihre Rechte im Kaufen und Verkaufen; wir haben es meist mit Zwischenhändlern zu tun. Es geht dabei immer um die Balance zwischen dem Streben nach der Profitmaximierung und dem bestmöglichen Ausdruck des Materials.

„Wir sollten die Vergangenheit kennen und von ihr lernen. Damit meine ich nicht, sie zu kopieren, sondern die Möglichkeiten, die in
ihr stecken, für die Zukunft  Weiterzuentwickeln.“

Jacq. de Brouwer, Bedaux de Brouwer Architecten, Goirle (NL)

 

Mit dem 35 Meter hohen Turm Pieter Vreedeplein wurde der Tilburger Stadtsilhouette 2008 ein skulpturales Element hinzugefügt. Auf einer Grundfläche von 8×16 Metern schufen Bedaux de Brouwer vier Wohnungen und eine Gewerbefläche im EG.


Architekten

Bedaux de Brouwer Achitecten, Goirle (NL)
www.bedauxdebrouwer.nl

Bedaux de Brouwer Achitecten „Kraftvolle Architektur mit reduzierten Mitteln“ lautet das Motto von Bedaux de Brouwer. Die zeitlos modernen Gebäude in klaren Formen und die mit größter Sorgfalt ausgeführten Details belegen das. Das bevorzugte Material der im niederländischen Goirle ansässigen Architekten ist der Backstein. Damit knüpfen sie an die Bautradition ihres Landes an, entdecken aber immer wieder neue Möglichkeiten des Materials. Der Anlass zur Bürogründung 1937 durch Jos. Bedaux war der Bau des eigenen Hauses. Später setzten seine zwei Söhne George und Peer Bedaux zusammen mit Jacq. de Brouwer die Arbeit fort; Letzterer leitet das Büro heute gemeinsam mit Pieter und Thomas Bedaux.

Projekte (Auswahl)

2016 Büros und Empfangsgebäude der Ziegelfabrik Vogelensangh,
Deest (NL)
2014 Schouw Informatisering (Bürohaus), Etten-Leur (NL)
2014 AVEC (Bürohaus), Tilburg (NL)
2013 Miles Building (Wohnungen und Bürohaus), Amsterdam (NL)
2009 Villa Kamperland, Kamperland (NL)

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